Antibiotika und der Einfluss auf die Darmflora

Antibiotika und der Einfluss auf die Darmflora

Billionen von Bakterien besiedeln unseren Darm. Wir leben mit ihnen in einer Art Symbiose. Die Gesamtheit, der im menschlichen Darm lebenden Bakterien wird auch Darmflora genannt. Diese übt verschiedenste Funktionen aus, wie die Aufrechterhaltung und Reifung unseres Immunsystems, sie dient zur Abwehr pathogener Keime, regt unsere Darmmotilität an. Andererseits schafft sie aber auch ein Milieu, damit wir mit Nährstoffen versorgt werden. 

Allein 2019 wurden in Deutschland insgesamt 168 Millionen Tagesdosen an Beta-Lactamantibiotika verordnet. Bei vielen bakteriellen Infektionen trägt die Einnahme von Antibiotika dazu bei die Beschwerden zu lindern und kann auch lebensbedrohliche Verläufe aufhalten. Dennoch haben Antibiotika – wie jedes andere Medikament auch – Nebenwirkungen. Dazu zählt unter anderem die Schädigung nützlicher Bakterien, die unseren Darm besiedeln. In diesem Artikel werden die Auswirkungen der Antibiotika Einnahme auf das menschliche Mikrobiom beleuchtet. 

Antibiotika sind Arzneimittel, die zur Bekämpfung bakterieller Infekte eingesetzt werden. Hierzu zählen beispielsweise eine Lungenentzündung oder eine Blasenentzündung. Gegen die meisten Erkältungskrankheiten sind Antibiotika allerdings unwirksam, da diese viral bedingt sind. Zu den Verursachern der Erkältungskrankheiten gehören u.a. Rhinoviren, Coronaviren und Parainfluenza Viren. Es gibt zwei grundlegende Arten von Wirkweisen, die wir bei Antibiotika unterscheiden müssen. Einerseits wirken Antibiotika bakteriostatisch und hemmen somit das Wachstum von Bakterien. Andererseits wirken Antibiotika bakterizid und töten die Krankheitserreger ab. Hierbei benutzen Antibiotika verschiedenste Targets um ihr Ziel zu erreichen. Der wahrscheinlich bekannteste Vertreter unter den sogenannten Beta Lactam Antibiotika ist das Penicillin.  Beta Lactam Antibiotika wirken bakterizid, indem sie die bakterielle Zellwandsynthese hemmen. Eine andere Wirkstoffklasse sind die Tetrazykline. Diese benutzen nicht die bakterielle Zellwandsynthese als Target, sondern greifen im Rahmen der  Proteinbiosynthese ein und bewirken einen Abbruch der entstehenden Peptidkette. Durch diesen Wirkmechanismus wirken sie bakteriostatisch.

Ein bekanntes Problem, dass vor allem bei zu häufigem Einsatz von Antibiotika und bei nicht korrekter Einnahme vorkommt, ist die Antibiotikaresistenz. Hierbei können sich widerstandsfähige Bakterien entwickeln und leicht im Körper ausbreiten. Da Bakterien in der Lage sind untereinander Genmaterial auszutauschen, kann sich diese Resistenz auch auf andere Bakterienstämme übertragen und eine Therapie mit einem adäquaten Antibiotikum fällt umso schwerer. Ein weiteres Problem ist die Schädigung der Darmflora. Antibiotika unterscheiden nämlich nicht zwischen nützlichen und pathogenen (krankmachenden) Bakterien. Da die nützlichen Bakterien nicht nur das Immunsystem stärken, sondern auch Haut und Schleimhäute überziehen, kann es zu einigen Nebenwirkungen wie Durchfälle, Blähungen oder Hautveränderungen kommen. Bei Frauen kann es zusätzlich zu Pilzinfektionen der Scheide kommen, da durch die Antibiotika Einnahme die für ein keimschützendes Milieu in der Vagina verantwortlichen Bakterien in Mitleidenschaft gezogen werden können. 

Etwa 100 Billionen Mikroorganismen besiedeln unseren Darm. Die große Mehrheit davon sind Bakterien, aber auch Viren und Pilze kommen vor. Die Gesamtheit der im menschlichen Darm Darm vorkommenden Mikroorganismen wird Mikrobiom genannt.  In der Folge werden wir auf die Hauptaufgaben des Mikrobioms eingehen und diese versuchen Ihnen näher zu bringen um dann die Auswirkungen einer Antibiotika Einnahme besser verstehen zu können. Zu aller erst muss man sich aber bewusst sein, dass unser Mikrobiom so individuell ist wie der Mensch selbst. Dies gilt sowohl für die Anzahl, als auch für die Art der unseren Darm besiedelnden Stämme. Schon während der Geburt kommt es zu einer Besiedlung des Darms mit  Bifidobakterien, welche in Folge einen großen Teil zur Entwicklung des Immunsystems in der Darmschleimhaut beitragen. Bei  den unseren Darm besiedelnden Bakterien gibt es solche, die sowohl in Anwesenheit, aber auch in Abwesenheit von Sauerstoff wachsen und leben können (fakultativ anaerob) und dementsprechend ihren Stoffwechsel anpassen können. Dazu zählen Enterococcus und Lactobacillus Arten, die hauptsächlich unsere Dünndarmflora durchziehen. Es gibt aber auch Bakterien, die nur in sauerstofffreier Atmosphäre überleben können (obligat anaerob). Dazu gehören hauptsächlich unseren Dickdarm besiedelnden Bakterien, wie Bifibakterium, Clostridium, Bakteroides u.v.m.

Aufgaben unserer natürlichen Darmflora

Das Epithel unserer Darmschleimhaut ist ein dichter Zellverbund, der durch sogenannte Tight Junctions zusätzlich abgedichtet wird. Bei diesen Arten von Zellen ist ein Transport von Stoffen und Mikroorganismen durch die Zelle (parazellulärer Transport) nicht erwünscht und auch nicht möglich. Unsere Darmbakterien sorgen für eine Aufrechterhaltung dieser Darmbarriere. Damit einhergehend wird den Mikroorganismen das Anhaften an Epithelzellen verhindert.

Mittlerweile weiß man, dass über 70% unserer Immunzellen in der Darmschleimhaut (intestinale Mukosa) sitzen. Hierzu gehören die zu den „weißen Blutkörperchen“ zählenden Lymphozyten, die Fremdstoffe erkennen und bei Bedarf auch entfernen können, sowie die IgA Antikörper, die ebenfalls Krankheitserreger entfernen können. In der Gesamtheit spricht man über das darmassoziierte Immunsystem. Das darmassoziierte Immunsystem hält eine Vielzahl von Erreger durch verschiedene Mechanismen auf. Beispielsweise verhindert es das Eindringen toxischer Zellbestandteile in unseren Körper, die durch das Abtöten von pathogenen Bakterien ausgestoßen werden. Durch diese Abwehrfunktion wird verhindert, dass unser Darm mit pathogenen Bakterien kolonialisiert wird.  

Unsere Darmbakterien sorgen also für die Aufrechthaltung und Reifung dieses darmassoziierten Immunsystems, sowie für die Abwehr pathogener Bakterien. Außerdem werden perfekte Bedingungen geschaffen, damit wir die Nährstoffe optimal aufnehmen können. Bei der Gärung von Kohlenhydraten durch unsere Darmbakterien entstehen sogenannte Butyrate. Es handelt sich um eine kurzkettige Fettsäure, die als Hauptenergiequelle für unsere im Darm befindlichen Zellen dienen. 

Einfluss der Antibiotika auf die Darmflora

Antibiotika machen keinen Unterschied zwischen pathogenen und nicht pathogenen Keimen. Dementsprechend bringen sie auch unsere Darmflora in Ungleichgewicht. Durch die Schädigung unseres Mikrobioms wird die Kolonisation mit anderen pathogenen begünstigt, die sich in Folge auch vermehren können. Ein Beispiel hierfür sind eine Besiedlung unseres Darms mit Clostridium difficile. Bei Clostridium Difficile handelt es sich um ein Darmbakterium, dass natürlicherweise in unserem Darm vorkommt, bei Kindern deutlich mehr als bei Erwachsenen. Durch die Antibiotka Therapie kann das Bakterium an Überhand gewinnen und Toxine ausschütten, die dann zu schweren Durchfallerkrankungen führen können. Übertragen wird der Erreger durch Schmierinfektionen und stellt hauptsächlich ein Problem für Immunschwache Leute dar, zum Beispiel Senioren und Patienten mit vielen Vorerkrankungen in Ihrer Anamnese. 

Einige Bakterien wie Bifidobakterien, leisten auch einen Beitrag zur Versorgung mit Vitamin K und B-Vitaminen, allen voran Biotin und Folsäure. Durch eine Fehlbesiedlung des Darms kann die Synthese dieser Vitamine beeinträchtigt werden. 

In unserem Darm dominieren die anaeroben Bakterien, also Bakterien, die für ihren eigenen Stoffwechsel und zur Vermehrung keinen Sauerstoff benötigen. Viele Antibiotika haben ein breites Wirkspektrum und wirken auch gegen diese Art von Bakterien (z.B. Clindamycin). Anaerobier leisten einen wichtigen Beitrag zur Darmgesundheit , indem sie bei einem Gärungsprozess große Mengen an kurzkettigen Fettsäuren produzieren, die wiederum anderen Bakterien als Brennstoff dienen. 

Inwiefern Antibiotika einen Einfluss auf die Darmflora ausüben hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie das Wirkspektrum (z.B. grampositiv- oder gramnegative Bakterien, Aerobier oder Anaerobier) welches vom Antibiotikum abgedeckt wird, die Dauer und die Dosierung des Antibiotikums sowie die pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Eigenschaften des Antibiotkums. 

Antibiotika gehören zu den lebenswichtigen Medikamenten und es wäre wünschenswert, wenn mehr in die Innovation neuer Antibiotika investiert würde, um die Resistenzlage, vor allem in den Krankenhäusern mit den multiresistenten Keimen, zu entspannen.

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